Wie kommt es, dass Länder mit demokratischen Systemen oder Aktiengesellschaften mit breiter Streuung durch fehlgeleitete Machtkonstellationen plötzlich zur Belastung für Gesellschaft, Aktionäre oder Mitarbeitende werden? Ein Erklärungsversuch mit Denkanstössen für Corporate Governance ‘Next Practices’.

Die Fälle sind hinlänglich bekannt: Kotierte Grossunternehmen mit Heerscharen von Legal-, Compliance-, Risk- und Audit-Mitarbeitenden sowie zusätzlicher staatlicher Kontrolle schaffen es, durch Verfehlungen Aktionäre und Mitarbeitende nachhaltig zu schädigen. Wie kann das verhindert werden?

Es ist wünschenswert und nötig, dass der Verwaltungsrat der Governance der Macht – sei es im operationellen Geschäft, aber auch im VR-Gremium – mehr Beachtung schenkt. Folgende ‘Next Practices’ können dazu einen Beitrag leisten:

Leitgedanke ‘Übergabe an die nächste Generation’ kultivieren

Was in Board-Diskussionen von Nicht-Familienunternehmen meist zu kurz kommt, ist der Leitgedanke des Tuns und Handelns im Kontext ‘Wie übergeben wir das Unternehmen der kommenden Generation?’. Dabei wäre dieser Leitgedanke eine geeignete Orientierungshilfe beim Priorisieren und Synchronisieren von Ambitionen und Interessen. Er beinhaltet die Nachhaltigkeit intrinsisch und fördert massvolles, auf Langfristigkeit ausgelegtes Handeln.

Die Übergabe an die nächste Generation nimmt bei den meisten Familienunternehmen eine zentrale Rolle ein und determiniert den Risikoappetit und die Strategie massgeblich. Man möchte sich vermehrt auch managergeführte Unternehmen vorstellen, welche unter dieser Prämisse Ziele setzen, Strategien entwickeln, Pläne realisieren und entsprechende Vergütungen ausrichten.

Die Konsequenzen wären Shareholder, die ihrem Namen gerecht würden: Eigner mit langfristigem Investitionshorizont sowie entschleunigte, stabilere Karrieren, vernünftigere Bezüge, wertorientiertes Denken und Handeln und eine Abkehr von der Gewinnmaximierung zugunsten eines Primats ‘Gewinn unter Nebenbedingungen’.

Psychologische Sicherheit im VR-Gremium und im Unternehmen testen und stärken

Psychologische Sicherheit ist ein Team-Phänomen und die gemeinsame Überzeugung aller Mitglieder, dass es innerhalb des Teams sicher ist, zwischenmenschliche Risiken einzugehen. Vertrauen und Respekt sind dabei zentrale Elemente. In der Praxis bedeutet das, dass sich alle Teammitglieder trauen, sich zu exponieren, sich zu äussern und proaktiv zu handeln.

Studien belegen, dass psychologisch sichere Teams in den Bereichen kontinuierliches Lernen, Prozessveränderung sowie Engagement und Förderung von Innovation besser abschneiden als der Durchschnitt. Warnsignale für die Absenz von psychologischer Sicherheit sind Gremien, in welchen die Hälfte der Teilnehmenden nichts sagt, stringente hierarchische Kommunikationspfade, Getuschel und individuelle kleine Gruppen, welche sich verdeckt über Geschäftliches austauschen.

Für den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung kann und sollte diese Erkenntnis Einfluss auf die Nomination und die Förderung von Führungskräften haben. Psychologisch sichere Organisationen produzieren eindeutig weniger Machtmissbrauch.

Unabhängigere Verwaltungsräte

Entscheidend für ergebnisoffene und freie Diskussionen im Gremium sowie für ein konstruktives Ringen um beste Entscheidungen ist die Unabhängigkeit der Mitglieder. Unabhängigkeit in finanzieller Hinsicht, aber auch von institutionellen und industriellen Verpflichtungen. Ideologische Offenheit und Flexibilität sind hoch erwünscht und helfen, eine Meinung im Dialog zu bilden/festigen, ohne einfach vorgefertigte Ansichten zu bestätigen.

Dafür ist es wichtig zu verstehen, was die Motivation der Verwaltungsräte für ihr Amt ist. Wer von seinem Ego und dessen Wirkung in der Öffentlichkeit getrieben ist, wird es auch in seiner Arbeit und seinen Entscheidungen sein.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei der VR-Präsident. Er bestimmt massgeblich über Neuzugänge ins Gremium und in welcher Tonalität und wie kontrovers Diskussionen geführt werden. Es muss in einer VR-Sitzung möglich sein, quer zu denken, kritische Fragen zu stellen, einen Vorschlag ungeeignet zu taxieren, ohne dabei ins Abseits zu geraten.

Gremien, die solches zulassen, konstituieren sich meist mit einem moderierenden Chairman, einer durch Respekt und Vertrauen gebildeten Kultur und mit Mitgliedern, die sozial sicher sowie unabhängig sind und bleiben.

 

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